Unruhe auf den Staatsanleihemärkten: Gold und Kryptos profitieren

In den USA und in Japan werden die Anleiheinvestoren langsam nervös. Zunächst ist eine Auktion von japanischen Staatsanleihen am Anfang der Woche auf die schwächste Nachfrage seit einem Jahrzehnt getroffen. Darauf stiegen die Renditen von 20-jährigen und 30-jährigen Bonds auf das höchste Niveau seit 25 Jahren. Die Rendite der 40-jährigen Bonds sprang sogar auf 3,6 % und markierte damit ein neues Allzeithoch. In den USA hatte zuerst Moody's letzte Woche als letzte große Ratingagentur der USA das AAA-Rating entzogen, bevor diese Woche eine Auktion 20-jähriger Bonds auf eine geringe Nachfrage traf und zudem das große Steuersenkungsprogramm der US-Regierung das Repräsentantenhaus passierte. Als Folge stiegen die 30-jährigen US-Renditen über die psychologisch wichtige Marke von 5 %. Auch die europäischen Anleiherenditen ziehen wieder an, wobei das Ausmaß deutlich geringer als bei den US-Pendants ausfällt und der größte Anstieg bei den 30-jährigen Renditen zu beobachten ist. Der Spread zwischen 10-jährigen und 30-jährigen Bundesanleiherenditen beträgt aktuell mehr als 50 Basispunkte. Kurz und knapp zusammengefasst: Die Anleger sind besorgt über die ausufernde Verschuldung der Staaten weltweit. Dadurch steigen die sogenannten Laufzeitprämien bei Staatsanleihen: Je länger ich dem Staat Geld leihe, desto höher mein Risiko. Oftmals wird medial auf das Ausfallrisiko der Anleihen verwiesen. Allerdings ist das Ausfallrisiko bei Staatsanleihen, die in der eigenen Währung notieren, so gut wie nicht gegeben. Denn im Notfall würde die eigene Notenbank die Staatsanleihen ankaufen, um den Staatsbankrott zu verhindern. Doch warum verlangen dann die Investoren so hohe Laufzeitprämien?
Das ganze Finanz- und Wirtschaftssystem einer Nation basiert auf der heimischen Währung. Das Vertrauen in den Wert bzw. die langfristige Kaufkraft der heimischen Währung ist die elementare Grundlage der schuldenbasierten Wirtschaftspolitik zahlreicher Staaten, wie z.B. den USA, der Eurozonenmitglieder oder Japan. Nach den Inflationswellen in den 70er und Anfang der 80er wurde den Staaten bewusst, dass eine Preisstabilität die wichtigste Basis für das Vertrauen der breiten Bevölkerung wie auch der institutionellen Investoren in die eigene Währung und in das Wirtschaftssystem ist. Daher lag der Fokus der Notenbanken auch auf der Inflationsreduzierung. Diese stringente Geldpolitik ließ den Regierungen nur begrenzten Spielraum in Sachen Neuverschuldung. Nachdem in den Jahren 2008/2009 die Finanzmarktkrise in den USA die Vermögenspreise, insbesondere bei Aktien und Immobilien, belastete und damit das Banken- und Kreditsystem ins Wanken brachte, kam die Fed unter ihrem damaligen Chef Ben Bernanke auf die Idee, die Leitzinsen auf 0 % zu senken und im weiteren Verlauf durch systematische Anleihekäufe sowohl den Asset-Märkten zu helfen, als auch den Spielraum für neue Staatsschulden deutlich zu erweitern. Bernanke sagte damals, dass die Fed notfalls die Gelddruckmaschine anmacht, mit dem Helikopter über die USA fliegt und Scheine regnen lässt. Dies war der Stein des Anstoßes für ein Umdenken in der Geldtheorie. Die Notenbanken sollen als „Teamplayer“ die steigende Verschuldung der Regierungen finanzieren, umso die Wirtschaft und die Asset-Märkte zu unterstützen. Vereinfacht gesagt: Wir drucken Geld, damit die Regierungen Steuern senken sowie die Sozialausausgaben und die direkten Subventionen für die heimischen Unternehmen erhöhen kann. Alle Krisen wurden so gemeistert: Von der Finanzmarktkrise über die Euro-Krise bis zur Corona-Krise. Die neue Geldtheorie MMT (Modern Monetary Theory) bekam nach anfänglichen Diskussionen unter Ökonomen immer mehr Unterstützer. Nebenbei bemerkt, erhielt Ben Bernanke 2022 sogar den Wirtschaftsnobelpreis. Ironischerweise begann genau in diesem Jahr 2022 der Weg zur Erkenntnis, dass diese massiven Liquiditätsschwemme der Notenbanken im Zusammenspiel mit den exorbitanten Staatsausgaben die Basis für die größte Inflationswelle der letzten Jahrzehnte war. Trotz steigender Zinsen in Rekordtempo und Bilanzabbau der Notenbanken gelang es daher nicht, die Inflation aufzuhalten. Die gemäßigten Inflationsraten des letzten und des aktuellen Jahres sind in erster Linie auf stark gefallene Energiepreise (Gaspreis, Ölpreis) zurückzuführen. Die Dienstleistungsinflation liegt in der Eurozone immer noch bei knapp 4 %. Unter dem Strich lässt sich festhalten: Die Modern Monetary Theory ist nicht nur gescheitert, sondern hat auch mehrere große Probleme hinterlassen:
- Die Politik der negativen Realzinsen (einer der wichtigsten Punkte der MMT, um die Staatsverschuldung erschwinglich zu machen) hat zu einer großen Umverteilung der realen Vermögensverhältnisse innerhalb der Gesellschaft geführt - große Immobilien- und Aktienbesitzer waren die Gewinner, Sparer und Mieter die Verlierer. Konsequenz: Die „kleinen Bürger“ wählen aus Wut und Frust über die Regierung radikale Politiker wie z.B. Donald Trump.
- Die weltweiten Regierungen haben sich daran gewöhnt, jedes Jahr neue große Ausgabenpakete zu beschließen, um die Wählerschaft bei Laune zu halten.
- Die Skepsis vieler Bürger und Investoren gegenüber den staatlichen Institutionen ist aufgrund der willkürlichen Geldmengenvergrößerung und der Schuldenexplosion im Zeitverlauf immer größer geworden.
Alle drei Punkte haben letztlich das Vertrauen in den Wert und in die nachhaltige Kaufkraft der staatlichen Währungen beschädigt. Durch den Rückzug der Notenbanken aus den Staatsanleihemärkten wird dieser Vertrauensverlust auch in den langfristigen Renditen über höhere Laufzeitprämien sichtbar.
Der Ruf von US-Staatsanleihen oder auch japanischen Staatsanleihen als „sicherer Hafen“ in Krisenzeiten wird langsam angezweifelt. Anstatt die Gefahr in einer großen Rezession mit fallenden Preisen (Deflation) zu sehen, machen sich die Marktteilnehmer eher Gedanken über eine Stagnation der Wirtschaft mit weiterhin hohen Inflationsraten aufgrund von einer ausufernden Fiskalpolitik, protektionistischen Maßnahmen wie Zöllen und einem Verfall einzelner Währungen. In diesem Szenario helfen keine Staatsanleihen, sondern vermeintlich alternative Anlagen, deren Angebot begrenzt ist. Vereinfacht ausgedrückt: Wer dem Staat und den staatlichen Währungen kein Vertrauen schenkt, der sucht sein Glück in Gold oder Kryptos. Gold wird in immer größeren Umfang von den Notenbanken selbst (insbesondere von der People Bank of China) als Reservewährung gekauft, daher ist ein privates Investment nachvollziehbar. Bei Kryptos scheiden sich die Geister: Es ist keine Währung und hat keinen volkswirtschaftlichen Nutzen, aber es hat aktuell den Rückhalt des US-Präsidenten und einer sehr eng vernetzten „Krypto-Community“, die dafür sorgen, dass die Preise der Krypto-Tokens immer weiter ansteigen. Und steigende Preise sind die beste Werbung für „fresh money“ - solange genügend frisches Kapital ins Krypto-System reinfließt, die die Kosten und die Abflüsse aus dem System überkompensieren, können die Preise weitersteigen.
Kommentare (0)